Das Böse lauert immer und überall. Das musste kürzlich auch Herr S. erfahren, als er seine Eigentumswohnung verkaufen wollte. Er schaltete eine Anzeige in der regionalen Tageszeitung und war guter Dinge. Seine Dreizimmerwohnung in hervorragender Lage war in einem tadellosen Zustand und zu einem fairen Preis zu haben. Herr S. hoffte, dass der Verkauf in kurzer Zeit abgewickelt sein würde, damit er entspannt in den Urlaub fahren und anschließend seinen neuen Job im Ausland antreten konnte. Bald meldeten sich die ersten Interessenten. Herr S. vereinbarte einen Besichtigungstermin nach dem anderen, wartete auf versprochene Rückrufe. Meistens leider vergeblich. Aber er wusste ja, dass Geduld der Schlüssel zum Erfolg ist.
Langfinger beim Immobilienverkauf
Eine Überraschung der anderen Art
Nach etwa einer Woche hatte Herr S. zwar einem Dutzend potenzieller Käufer seine Eigentumswohnung vorgeführt, war aber noch keinen Schritt weiter gekommen. Ein leichte Nervosität breitete sich in ihm aus. Seit zwei Tagen hatte niemand mehr angerufen. Er überlegte, ob er eine zweite Anzeige aufgeben sollte, vielleicht in einem überregionalen Blatt. Da klingelte sein Handy, eine unterdrückte Nummer, hinter der sich eine sonore Stimme verbarg. Der Herr erkundigte sich nach Details und drängte auf einen raschen Besichtigungstermin. Nur wenige Stunden später erwartete Herr S. den Interessenten, der sich mit Müller vorgestellt hatte. Herr S. wartete vergeblich. Der Urlaub rückte näher. Danach blieben noch zwei Wochen Zeit, um einen Käufer für die Wohnung zu finden. Herr S. war noch immer voller Zuversicht und wie vom Blitz getroffen, als er aus den Ferien zurückkehrte. Seine Wohnung glich einem Schlachtfeld. Wahllos verstreut türmten sich auf dem Boden Gegenstände, die vor der Abreise in Regalen und Schränken aufbewahrt worden waren. Ein Scherbenhaufen. Außerdem fehlten Bargeld, Fernseher, Stereoanlange und die Münzsammlung von beträchtlichem Wert. Herr S. rief die Polizei. Ein junger und ausgesprochen höflicher Kommissar wurde hellhörig, als Herr S. beiläufig erwähnte, dass er Wohnung verkaufen wolle. Jetzt seien aber wohl erst einmal Aufräumungsarbeiten angesagt. Ob er jemand von seinen Urlaubsplänen erzählt habe, wollte der Kommissar wissen. Herr S. brauchte nicht lange zu überlegen. Jenen Herrn Müller hatte er eingeweiht. Der Fall war klar, wenn auch noch nicht geklärt.
Besichtigung mit Folgen
Frau W. hatte sich mit knapp 84 Jahren entschlossen, in eine Seniorenresidenz überzusiedeln und beauftragte ihren Neffen Sebastian mit dem Verkauf ihres Hauses. Sebastian war unerfahren im Immobiliengeschäft, aber ehrgeizig, zumal die Tante ihm eine großzügige Provision in Aussicht gestellt hatte. Sebastian setzte Annoncen in diverse Blätter und freute sich über die Resonanz, die seine Erwartungen übertraf. Gut gelaunt führte er die Kaufinteressenten durch das Haus der Tante, die es vorgezogen hatte, für eine Weile eine Freundin zu besuchen. Mit der Zeit entwickelte der Neffe eine gewissen Routine und ein Gespür dafür, ob der Interessent ernste Absichten hatte. Eines Tages war Sebastian mit einem Ehepaar Lauer verabredet, solvent und absolut vertrauenswürdig, so sein erster Eindruck. Die Lauers erschienen auf die Minute pünktlich und waren sofort „entzückt“ von dem Haus. Es schien Liebe auf den ersten Blick zu sein. Sebastian frohlockte. Auch gegen den Preis hatten die Lauers keine Einwände.
Ende mit Schrecken
Sie strichen durch alle Räume. Herr Lauer drängte es plötzlich in den Garten, wo er sich weitschweifend und anscheinend kenntnisreich über die Gartenarchitektur vom Barock bis zum Jugendstil ausließ. Sebastian hatte auf diesem Gebiet keinen blassen Schimmer und nickte fortwährend zustimmend. Frau Lauer war unterdessen im Haus geblieben. Ausgestattet mit einem Metermaß und einem Notizblock – beides hatte sie aus ihrer überdimensionierten Handtasche hervorgezaubert – wollte sie die Räume ausmessen. Herr Lauer wechselte abrupt das Thema und sprach auf einmal über die Vor- und Nachteile der Viererkette im modernen Fußball. Auch davon hatte Sebastian nicht die geringste Ahnung. Geduldig hörte er zu. Die Zeit verging sprichwörtlich wie im Fluge, als endlich Frau Lauer zu den Männern trat und ihrem Gatten einen vielsagenden Blick zuwarf. Das Ehepaar Lauer hatte es auf einmal ziemlich eilig. Sie gaben vor, noch einige Dinge mit ihrer Bank besprechen zu müssen und versprachen, sich gleich darauf bei Sebastian zu melden. Das Haus sei so gut wie gekauft. Sebastian winkte den netten Lauers hinterher, ging gedankenversunken ins Haus und suchte nach seinem Handy, das er vorhin auf die Anrichte in der Küche gelegt hatte. Aber das lag es nicht mehr. Mit dem Handy war auch der wertvollere Teil des Schmucks der Tante verschwunden. Sebastian ahnte, dass er das Haus wieder nicht verkauft hatte.
Augen auf beim Verkauf
Wer seine Immobilie verkaufen will, freut sich über jeden Interessenten. Schließlich sollen Haus oder Wohnung möglichst schnell und umstandslos verkauft werden. Die genannten Beispiele zeigen, dass auch beim Verkauf einer Immobilie Kontrolle und ein gesundes Misstrauen die besseren Ratgeber sind. Wer wie Herr S. am Telefon vertrauliche Informationen an einen wildfremden Menschen weitergibt, fordert das Pech geradezu heraus. Gelegenheit macht Diebe. Und wenn der Dieb weiß, dass eine Wohnung über einen längeren Zeitraum unbewohnt ist, kann er in aller Ruhe und ziemlich risikolos seinem „Handwerk“ nachgehen. Im Fall von Sebastian hat ebenfalls Leichtsinn dem Gaunerpärchen die Arbeit erleichtert. In Erwartung eines baldigen Kaufabschlusses hat der Neffe sich von den beiden einlullen lassen. Dabei konnte er nicht einmal sicher sein, tatsächlich die Lauers vor sich zu haben. Wer privat eine Immobilie verkauft, sollte jeden Interessenten zunächst höflich um den Ausweis bitten und sich Name und Anschrift notieren. Seriöse Käufer werden dafür Verständnis haben.